Guten Abend aus Ciungetu.

Was für ein Tag. Aber fangen wir vorne an! Aufgewacht sind wir mit der Morgendämmerung und traumhafter Ruhe in unserem Tipi-Zelt. Wer auf diesem Zeltplatz nicht eins mit der Natur wird… der macht was falsch 😀 Auf einer großen Wiese stehen mehrere weiße Zelte auf Holzpodesten. Immer mit genug Abstand zum Nächsten, so das man auch nachts nicht gestört wird. Es gibt eine „Bar“, eine Küche samt Grillplatz und ein paar Stellen für Lagerfeuer-Romantik. Am liebsten wären wir noch länger geblieben, doch der Tagesplan sah zwar die Strecke vor, doch welche Zeit wir dafür benötigen würden, das werden wir erst später erfahren. Wir wussten nicht wirklich was uns erwarten würde.

Erstmal führte uns die Navi durch Petroșani zum Beginn der Transalpina „DN67C“. Nachdem wir dort eingebogen sind, ging es nach ca. 10 km auf die sogenannte „Transalpina Strategica“ – der Name sollte noch Programm werden – ohne hohes strategisches Fahrgeschick kommt man hier mächtig ins straucheln. Ich (Regine) überlasse das komplett Marco, damit wir am Ende nicht irgendwo Kopfüber 😲 runterpurzeln. Dafür darf ich die Fotodokumentation übernehmen – an ein paar Stellen war ich allerdings mehr mit Festhalten beschäftigt, um noch das Handy zücken zu können. Aber: an den gruseligsten Passagen war der Ausblick jedesmal phänomenal. Wie gemein. Zum Glück finden sich auch so auf dieser schmalen Schotterpiste genug Spots für Bilder. Der Weg mit zumeist Felsen, viel Staub, kleinem und mittelgroßen Geröll geht an sich mehr oder weniger an den Hängen der Karpaten entlang. So direkt, dass es rauf und runter geht, hinter jeder Kurve neue Panoramen warten und man sich stetig höher schraubt um kurz drauf einige Meter bergab zu fahren. Was aber gar nichts heißt, sogar nur noch 7 Kilometer vor dem Ende waren wir immer noch auf über 1100 Metern Höhe. Die maximale Höhe tief im Gebirge hatten wir bei genau 1991 Metern. Krass. Und irre. Und soooooo schön.

Man hat fast die ganze Zeit über einen irren Weitblick auf die Karpaten mit klar sichtbarer Baumgrenze (bis auf ein paar Ausreißer). Einem Abzweig, der von der „Strategica“ wegführt,  konnten wir nicht widerstehen, hatten wir doch dort oben eine „Bushaltestelle“ erspäht. Ganz zu Beginn ist ein weißer Citroen (Kleinwagen) an uns vorbei gefahren und wen treffen wir auf diesem Abstecher, der mit unseren 4×4 kaum zu bewältigen war? Den weißen Citroen samt Besitzer! Der hatte an einer von Wasser ausgewaschenen Stelle Probleme bekommen und konnte nicht weiter. Er werkelte schon mit Wagenheber rum – was auch immer er damit vorhatte. Jedenfalls hatte er sich damit schlimm am Finger verletzt. Das Blut sickerte schon durch seinen provisorischen Verband. Schnell verschwand er kurz in seinem Auto, parkte es um damit wir mehr Platz haben, riss sich noch einige Textiltücher zurecht und wickelte sie um seine Finger. Trotz Allem hat er sofort einige Hölzer über die Schikane gelegt und meinte mit Handgesten, dass wir durchfahren sollen 😀 Er hob vier Finger und wollte wissen ob wir Allrad haben. „Ja? Dann klappt das schon!“ – lies er uns auf gebrochenem aber verständlichem rumänischem englisch wissen. Ich (Marco) war skeptisch. Die Stelle sah trotz der Hölzer nicht gut aus. Der Rumäne fuchtelte derweil mit seinen blutigen Fingern weiter und meinte wir sollen ein Stück zurück und oben über die Wiese fahren. Geht doch auch mit Allrad. Joah, würde wohl auch gehen. Wieso auch immer Strasse fahren? Aber nee, nu hat er die Hölzer so schön drappiert, also rüber da! Wir haben es versucht und es hat natürlich geklappt. Wir sind dann noch eine Weile mit dem Mann im Gespräch gewesen, er hat uns etwas die Gegend und Natur erklärt. An der Hängen jenseits der Baumgrenze wachsen flache Büsche mit Blauberen, gut für den Magen (aus den Blättern macht man Tee, der ist gut für die Lunge – wusstet ihr das?). Kurz darauf kam noch ein Schäfer mit seinen 250 Schafen, einer Ziege und einem Esel dazu. Einmal im Flow haben auch wir mit den beiden Selfies gemacht. So nette Leute hier 😍😍 Übrigens haben wir etwas später festgestellt, dass wir hier auf fast 2000 Metern ja feinstes Internet haben. Verrückt – aber so konnten wir uns Dank Google Übersetzer mit den beiden unterhalten (daher auch die Info mit den Anzahl der Schafe – selber gezählt haben wir nicht 😅)

Tja, aber irgendwie ging dieser Weg dann doch in eine ganz falsche Richtung, so dass wir wieder zurückfahren mussten. Nochmal über diese Schikane *ächz* und wieder zurück auf die Strategica. Die Wege waren völlig okay, Offroadfeeling vom Feinsten! Natur pur und einfach unter sich sein. Hier und da natürlich andere Leute, aber sehr überschaubar. Interessant wurde es dann wieder später, als die Strecke plötzlich eine ganz andere Wendung nach. Der Untergrund war vorher meistens eben (halt steil und teils mit Löchern), aber gut zu fahren. Wir fanden uns dann aber plötzlich in einer Situation wieder, wo wir das erste Mal aussteigen mussten um zu beraten, wie wir da am Besten fahren. Wir überlegten die für uns beste Route, Regine ging voraus und gab mir (Marco) mit Handzeichen zu verstehen, in welche Richtung ich lenken müsste. Ihr merkt schon – da ging es um Zentimeter. Aber nicht etwa, weil es so schmal war – der Boden war zerklüftet und eine falsche Lenkbewegung oder eine falsche Route führt zum Aufsetzen und/oder Beschädigung am Fahrzeug. An dieser Stelle kam unser Vitara, der seinen Job übrigens total super macht, an seine Grenzen. Untersetzung und Allrad im ersten Gang waren nicht im Stande, diese Steigung zu meistern. Der Untergrund war zu lose – eine Alternative musste her die recht schnell gefunden war. Nun funktionierte es besser und wir waren stolz, diese Hürde gemeistert zu haben. Allerdings war dies nur ein Anfang eines Abenteuers, was uns wohl noch lange im Gedächtnis bleibt.

Die Strecke änderte sich weiter. Der Boden war felsig und es taten sich regelrechte Abgründe auf. Wir sind auf Passagen zugefahren bei denen wir uns überhaupt nicht sicher waren, wie das zu fahren sein soll. Es muss aber gehen, schließlich sind uns schon andere Fahrzeug entgegen gekommen und vor uns war noch ein Wrangler unterwegs. Es ist wieder schwierig in Worte zu fassen, aber stellt euch vor, rechts vom Wagen gehts wieder ziemlich steil nach unten, links ist eine Wand und der Fahrweg neigt sich stark Richtung Abhang. Wir sind also in Schräglage gefahren, dazu kamen felsige Unebenheiten, die das Fahrzeug in dieser Lage zum schwanken brachte. Nichts für schwache Nerven. Und zu allem Überfluss kam uns jetzt auch noch eine Schafherde samt Hüter entgegen. Anhand von seiner Mimik war klar: So cool findet der das wohl gerade nicht, dass wir hier rumeiern. Wir haben den Wagen aber schon weit vorher gestoppt und ausgestellt, damit die Schafe (die recht scheu sind) an uns vorbeiziehen.

Der wilde Ritt ging weiter und weiter immer tiefer in die Karpaten. Wir ließen das schwierige Terrain hinter uns und sahen von weitem eine Kolonne mit mehreren Fahrzeugen. Da ein Ausweichen auf der Strategica nur an gewissen Stellen möglich ist, haben wir gestoppt und gewartet. Es handelte sich um auffällige Fahrzeuge, ähnlich wie beim Carbage Run. Sollte das etwa wieder so eine Art Ralley sein? Wie bei jedem Offroader in freie Natur grüßt man sich ja beim Vorbeifahren. Auch hier! Doch der erste Wagen stoppte, wir schüttelten Hände und wunderten uns darüber, dass die jungen Insassen in diesem „Schrottauto“ deutsch sprechen. Und das sogar sehr gut. Es stellt sich raus: Es war eine Gruppe von Freunden, die zusammen die Strategica fahren. Wir wunderten uns dann doch über die Autos – nicht alle waren 4×4 und wir wussten ja sehr gut, was die noch erwarten würde. Wir wünschten allen noch eine gute Fahrt und schon gings weiter.

Allerdings: Was wir nicht wussten war, wie lange diese Reise noch gehen sollte. Gab es hier zwar schon das ein oder andere Hindernis, wo uns die Hände nach der Durchfahrt zitterten, so sollte es gegen Ende noch um einiges dicker kommen. Der Tag neigte sich langsam dem Ende entgegen und und um kurz vor 21 Uhr ging es immer noch bergauf. Die Sonne war schon hinter den Bergen verschwunden und langsam wurde es dunkel. Mittlerweile hatte sich der feste Untergrund verändert und ist zu weichem Sand geworden. Dazu kam, dass die Strasse selber als solche kaum zu bezeichnen war – ich würde es als „Mini-Karpaten“ bezeichnen und ich untertreibe nicht wenn ich behaupte, dass man in den Furchen einen Fiat Panda verschwinden lassen könnte.

Fassen wir nochmal zusammen: Es wird dunkel. Es geht immer noch bergauf. Der Untergrund ist sandig und rutschig. Unseren Vitara hat es schon mehrfach versetzt. Eine falsche Lenkbewegung könnte dazu führen, dass wir in eine solche Spalte abrutschen. Das würde ggfs. bedeuten, dass wir uns aus eigener Kraft nicht mehr befreien könnten oder sogar noch schlimmer das Fahrzeug schwer beschädigen würden.

Mit viel Teamwork manövrierten wir uns durch all diese Passagen und kamen schließlich bei vollständiger Dunkelheit um 21:52 Uhr auf befestigter Strasse wieder an. Unser Gastgeber der Wohnung rief mittlerweile schon zwei Mal an und erinnerte daran, dass wir heute gebucht haben und wann wir denn kommen.

Als wir ihm dann bei Ankunft erzählten, dass wir die „Transalpina Strategica“ gefahren sind meinte er nur in feinstem englisch: „Oh, das ist ja so eine schöne Strecke!“
Nunja, die meisten kennen eben nur die Transalpina – nicht die Strategica! 😁

Fazit: Eigentlich geht hier nur ein Satz: Marco, ich bin unglaublich stolz auf dich, wie du das gerockt hast! ❤😘🥰

Details
2024-08-01 Balkan24-Tag6-Transalpina_Strategica