📍 Valdieri
🗓️ 2025-09-11
🌡️ 24 °C
🚙 241 km gefahren
Wieder hatten wir eine ruhige Nacht in unserer kleinen Unterkunft verbracht. Heute stand eigentlich „nur“ eine Transitstrecke an, damit wir morgen früh das nächste Highlight angehen konnten. Unser morgendlicher Kaffeestopp mit Cappuccino und Croissants war ein guter Auftakt: Der Cappuccino bekam 4 von 5 Punkten, die Croissants sahen fluffig aus und wir freuten uns darauf, sie bei der ersten Pause zu genießen. Doch zuerst ging es auf die Straße.
Selbst die Schnellstraßen führten in langgezogenen Kurven immer am Berg entlang durch faszinierendes Panorama und boten viel Fahrspaß. Da Marco die Strecke fast komplett mit einer Motorrad-App geplant hatte, fuhren wir kaum Autobahn und auch sonst nur wenige große Straßen. Wir waren nahezu die ganze Zeit abseits der bekannten Wege auf unerwartet schönen Strecken unterwegs. Dort trafen wir hauptsächlich Biker und Radsportler. Immer wieder entdeckten wir Pässe, die wir nicht auf dem Schirm hatten. Wir schraubten uns hoch und runter, durch und über die Baumgrenzen, Kurve um Kurve näher an unser Ziel.
Oft fehlten mir die Worte, um zu beschreiben, wie eindrucksvoll die Alpen daherkamen. Die meiste Zeit fühlte man sich recht klein angesichts der Macht, die diese jahrhundertealten Felsen demonstrierten. Wir sahen etliche Stellen von vergangenen Erdrutschen oder Lawinen, die Bergflüsse waren voller Geröll und Felsen, führten aber zurzeit wenig Wasser. Die Farben der Seen waren von einem klaren Blaugrün und hoben sich wunderschön von Fels und Orten ab. Wären wir einfach den direkten Weg gefahren oder den schnellsten – was hätten wir alles verpasst!
Wir befanden uns in der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur – und setzten unsere Reise später erneut im italienischen Piemont fort. Unsere heutigen Überraschungspässe in der (hoffentlich richtigen) Reihenfolge:
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Col de la Cayolle – 2.326 m
Ein sehr begehrter Pass, speziell für Radsportler, die wir auch reichlich überholt hatten – zumindest von dieser Seite aus. Auf dem Scheitelpunkt befand sich ein großer Parkplatz mit vielen Fahrzeugen. Die Strecke würde ich schon fast als romantisch bezeichnen: schmale Straße, Felsüberhänge, kleine Tunnel, ein Fluss neben bzw. unter uns, kleine und größere Wasserfälle, die Baumgrenze – hier war alles dabei.
Der Cayolle ist übrigens auch Teil der legendären Route des Grandes Alpes, einer der bekanntesten Alpenstraßen Frankreichs, die vom Genfer See bis ans Mittelmeer führt. Auch wenn wir sie nur gekreuzt hatten, fühlte es sich ein wenig nach Pflichtprogramm für Alpenfans an. -
Col de Valberg – 1.672 m
Hier stand ein Fotograf für spektakuläre Bilder bereit. An vielen weiteren Pässen waren sie ebenfalls zu finden – sicher ein gutes Geschäft. Valberg selbst ist eine bekannte Wintersportstation, die schon in den 1930er-Jahren gegründet wurde und bis heute stark vom Tourismus lebt. Trotz der insgesamt ruhigen Strecke und vieler einsamer Abschnitte trafen wir hier wieder auf einige Zweiräder, mit und ohne Motor. -
Col de la Couillole – 1.678 m
Rund 16,1 km lang, mit durchschnittlich 7 % Steigung – eine kurvenreiche Strecke, die sich zog, aber dafür reichlich Landschaft bot. Auch die Couillole gehört zum Wintersportgebiet rund um Valberg, was man an den gut ausgebauten Zufahrten und den Hinweisen auf Skipisten deutlich sah. -
Col de la Lombarde – 2.350 m
Der Pass markiert die Grenze zwischen Frankreich und Italien. Wie so oft waren die Schilder mit Stickern überklebt, sodass wir diesen Punkt fast nicht als Grenze wahrgenommen hätten.
Am Gipfel befindet sich außerdem eine Gedenktafel für Don Giovanni Bon Giovanni und Cavaliere Jean Gaïssa, die in den 1960er- und 1970er-Jahren maßgeblich dazu beitrugen, die Straße über den Lombarde als „Brücke der Freundschaft“ zwischen dem französischen Tinée-Tal und dem italienischen Stura-Tal auszubauen. Das Bauwerk gilt als Symbol für Frieden und Völkerverständigung – und passte damit perfekt zu unserem Gefühl, die Grenze mitten in den Bergen ganz selbstverständlich zu queren.
Nach einer Hot-Dog-Stärkung ging es fast schnurgerade den Berg hinab ins Tal – nur um an anderer Stelle wieder hinaufzukurven. Schließlich erreichten wir unsere Unterkunft. Und wir mussten feststellen: Selbst wenn es „nur“ von A nach B ging, ohne großartig geplante Highlights, war jede Kurve in den Alpen sehenswert und fahrenswert. Der Wechsel von der französischen Seite ins italienische Piemont machte den Tag zusätzlich besonders: Landschaft, Straßenführung und Atmosphäre änderten sich spürbar.
Fazit: Eigentlich war es nur ein Transittag – und doch war er voller Überraschungen. Jeder unerwartete Pass, jedes Panorama und die Geschichten, die uns die Straßen zuflüsterten, machten deutlich: In den Alpen gibt es keine langweilige Strecke. Morgen wartet das nächste große Abenteuer.
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super